Dieser Artikel ist in der Zeitung "Rallye Racing" 22/88 erschienen

Der Autor war Harald Prüssmann

... aber es macht Spaß

Jetzt haben die Autoexperten wieder ein neues Opfer für ihre Stammtisch-Diskussionen: Der BMW Z1 ist ein tolles Stück Technik, aber er kann so vieles nicht, was heute ein Auto können sollte. Klar, er ist nicht geräumig, und praktisch auch nicht. Dazu ist er noch unglaublich teuer, das stimmt zwar alles ...

Der oberste aller Autoentwickler bei BMW, Doktor Wolfgang Reitzle, ist in der Regel ein sehr zurückhaltender, ja reservierter Typ. Er pflegt eindrücklich zu verkünden, daß ein BMW im allgemeinen ein ganz vorzügliches Auto sei - in jeder Beziehung. Umso verblüffender war, was sich bei der Vorstellung des langerwarteten Z1 beobachten ließ: Wolfgang Reitzle, ausnahmsweise nicht im gedeckten Tuch, sondern - für seine Verhältnisse sehr salopp - im Pullover, mit von der Sonne verbranntem Gesicht und zerzaustem Haar, kletterte grinsend wie ein Lausbub aus dem Z1 und gab erstaunliches zu: "Das Auto ist völlig unvernünftig. Logisch spricht nicht viel dafür - aber es macht unglaublich Spaß!" Was dem Entwicklungsvorstand der BMW AG soviel Spaß gemacht hat, ist ein teures Vergnügen. Der pummelige Zweisitzer kostet glatte 83000 Mark und bleibt damit leider für die meisten von uns unerschwinglich. Ein Jammer, denn Wolfgang Reitzle hat recht: Soviel Spaß wie der Z1 macht kaum ein anderes Auto.

Befeuert durch den 2,5 Liter Sechszylinder aus dem 325i sprintet der 170 PS starke Roadster in 7,9 Sekunden aus dem Stand auf 100 km/h und erreicht eine Höchstgeschwindigkeit von 225 km/h. Das ist schon ganz gut, aber nicht ungewöhnlich in heutiger Zeit. Für den Z1-Piloten liegt der Reiz des kleinen Autos denn auch nicht in den reinen Fahrleistungen, sondern in der Art und Weise, wie sich dieser unvenünftigste aller BMW-Typen fährt. Handlich wie ein Go-Kart, spontan am Gas, wie auf Schienen um die Kurven - er paßt dem Fahrer wie ein guter Turnschuh, da kommt Freude auf! Verstärkt wird das Feeling noch durch die Tatsache, daß man nicht nur Auto pur erlebt, sondern auch so gut wie im Freien sitzt - eine Art Motorrad auf vier Rädern.

Die Wendigkeit und die ausgezeichnete Straßenlage rührt einmal aus den Abmessungen des Z1 her und zum anderen aus gewissen konstruktiven Feinheiten. Der BMW ist gerade 3921 Millimeter lang, dabei aber 1690 Millimeter breit und nur 1277 Millimeter hoch. Die Überhänge sind kurz, die Spur mit 1456 Millimetern vorn und 1470 Millimetern hinten breit. Räder und Reifen wurden geradezu üppig dimensioniert mit 7,5 J x 16 und 225/45 VR 16.

Diese Optik verspricht schon viel - und der Z1 hält alles ! Doch dafür liegen die Gründe tiefer, verborgen unter dem pfiffig gestylten Kunststoff. Der Roadster ist weit mehr als eine Styling-Studie, er ist ein Technologieträger, der es faustdick unter der Plastikhaut hat. Dr. Klaus Faust, als Projektmanager bei der BMW Technik GmbH für den Z1 zuständig, erklärt das Styling als nur eines von mehreren Zielen des Z1. Die wichtigeren Ziele für die Zukunft sind:

Verkürzung der Entwicklungszeiten durch intensive Teamarbeit. Der Z1 entstand in knapp drei Jahren, normal ist eine Entwicklungszeit von gut sieben Jahren.

Neuartige technische Lösungen auszuprobieren. Als Beispiel seien hier die Türen genannt, die senkrecht in die Schweller abgesenkt werden, und das verzinkte Stahlchassis. Durch die Verzinkung wird das Blechteil nicht nur um 25 Prozent steifer, sondern es gibt durch die höhere Festigkeit auch Vorteile beim Crash.

Erfahrung im Verarbeiten von Kunststoff zu sammeln. Die gesamte Außenhaut des Z1 besteht aus Thermoplasten, die Hauben aus Faserverbundstoffen von Seeger und Hoffmann. Keines der Kunststoffteile hat eine tragende Funktion, sämtliche Teile können binnen 20 Minuten demontiert werden, was sehr servicefreundlich ist.

Optimierung der Aerodynamik, eine besonders bei offenen Autos schwierige Angelegenheit. Flügel und Spoiler waren nicht erwünscht, der Z1 erreicht hervorragende Abtriebswerte und einen Luftwiderstandsbeiwert von cw 0,43 offen und geschlossen sogar von nur 0,36 durch die aalglatte Außenhaut und den raffinierten Unterboden.

Dieser ist bis zur Hinterachse sehr glatt und bildet so gut wie keine Verwirbelungen. Hinter der Hinterachse steigt der Boden stark an und bildet einen sogenannten Diffusor. Dieser lenkt den Luftstrom auf den als Flügelprofil geformten Nachschalldämpfer, der gleichzeitig oben und unten umströmt wird. So wird der Auftrieb an der Hinterachse heftig reduziert, ohne daß ein Spoiler den Z1 verunstaltet.

Der Z1 ist ein gutes Beispiel dafür, daß Techniker auch heute noch Autos bauen können, die weit mehr sind als praktische Fortbewegungsmittel. Man muß ihnen nur die Möglichkeit dazu geben. Die Technik GmbH arbeitet losgelöst vom Werk als eine Art Experimentierküche ohne die Zwänge der Großserienfertigung. Doch völlig losgelöst ist auch der Z1 nicht. Neben den bereits erwähnten Entwicklungszielen findet sich hier schon ganz konkret ein Stück BMW-Zukunft: Die Z-Achse. Von den Technikern diskret heruntergespielt als nur ein innovatives Detail von vielen des Roadsters, stellt sie nichts weniger dar als die BMW-Hinterradaufhängung der Zukunft und wird ihre Serienpremiere im neuen Dreier haben. Die Z-Achse (korrekte Bezeichnung "zentralpunktgeführte, sphärische Doppelquerlenkerachse") besteht aus einem Längslenker, der gleichzeitig der Radträger ist, und zwei Querlenkern. Der obere besteht wie der Längslenker aus Aluminium, der untere ist ein durch Exzenter einstellbares Stahlrohr. Der Längslenker ist elastisch gelagert und bewirkt so ein neutrales Fahrverhalten und minimale Lastwechselreaktionen (Elastokinematik).

Auf den Punkt gebracht: Der Z1 ist für BMW ein wichtiger Technologieträger, aber das ist für uns nicht so wichtig. Er ist eines der witzigsten Autos, das wir jemals gefahren haben, das ist die reine Wahrheit. Aber er hat zwei gravierende Nachteile: Er ist zu teuer, und er ist dazu noch bis 1992 ausverkauft - und das ist sehr schade !

Und außerdem ist er gar nicht so unvernünftig und unpraktisch, wie es auf den ersten Blick aussieht: Bei geschlossenem Verdeck kann man sogar Ski durchladen ? wenn sie nicht zu lang sind. Die Stiefel allerdings, die passen dann nicht mehr hinein. Harald Prüssmann.

Die Zukunft hat begonnen

Die BMW Technik GmbH ist eine sehr junge Tochter der BMW AG. Als sie vor knapp drei Jahren gegründet wurde, erhielten ihre rund 100 Techniker, Designer und Ingenieure den Auftrag: "Seid kreativ, effektiv und innovativ!''

Die kleine Truppe brauchte sich nicht um Produktionszwänge zu kümmern, sondern konnte frei entwickeln. Eine der Aufgaben bestand darin, ein Projekt in verkürzter Entwicklungszeit auf die Räder zu stellen und dabei neue Technologien und Werkstoffe zu testen. Weil eine Großserienfertigung erst mal keine Rolle spielte, sondern es um ein reines Pilot-Projekt ging, entschieden sich die Jungs der Technik GmbH für einen knubbeligen Roadster, um zukunftsweisendes wie die neue Achse oder die Kunststoffverarbeitung zu erproben.

Der Z1, wie er von der Technik GmbH dargestellt wurde, ist als Auto natürlich ein Gag - aber als Technologieträger sehr ernst zu nehmen.

Das wird nicht nur im Hause BMW so gesehen. Auf allen Messen, auf denen der Roadster bis jetzt gestanden hat, war er der Publikumsliebling. Und er wird trotz seines horrenden Preises stürmisch gekauft. Bis jetzt sind 3500 Z1 fest geordert.

Am Anfang wird pro Tag ein einziges Auto gebaut, später soll die Produktion auf sechs pro Tag gesteigert werden. Im Klartext: Wer jetzt einen Z1 bestellt, wird sein Auto frühestens Ende 1992 erhalten. Das ist ein Riesenerfolg für einen unvernünftigen Zweisitzer, der 83 000 Mark kostet.

Technische Daten Karosserie:

Zweisitziger Roadster. Stahlmonocoque verzinkt. Eingeklebter Fahrzeugboden aus glasfaserverstärktem Epoxidharz mit dazwischenliegendem Polyurethanschaum. Vordere, hintere Seitenwende, Türen und Schwellerverkleidung aus Thermoplast (Xenoy von General Electric Plastics), Front? und Heckstoßfänger aus hochelastischem Thermoplast (stoßfest bis 4 km/h). Motor? und Kofferraumhaube sowie Verdeckkastendeckel aus Faserverbundstoffen. Motor: Sechszylinder?Reihenmotor hinter der Vorderachse (Frontmittelmotor). Hubraum 2494 ccm. Leistung 170 PS (125 kW) bei 5 800/min, maximales Drehmoment 222 Nm bei 4 300/min. Digitale Motorelektronik, geregelter Katalysator. Kraftübertragung: Fünfgang?Getriebe, Hinterradantrieb. Fahrwerk: Vorne Einzelradaufhängung an Federbeinen, hinten Einzelradaufhängung an Längslenker und doppelten Querlenkern (Z?Achse). Scheibenbremsen rundum (vorn innenbelüftet), ABS. Räder 7,5 J x 16 Alu, Reifen 225/45 VR 16. Fahrleistungen: Beschleunigung 0-100 km/h in 7,9 Sekunden, Höchstgeschwindigkeit 225 km/h. Prels: 83 000 Mark

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